Was ist eine Selbsthilfegruppe
In einer Selbsthilfegruppe schließen sich Menschen zusammen, die von gleichartigen Problemen, durch die sie sich in Ihrer Handlungsfähigkeit und im täglichen Leben eingeschränkt fühlen, betroffen sind. Ziel dieser Shgs ist es, durch gegenseitige Unterstützung und Motivation diese Lebensumstände zu verbessern und Wege zu erarbeiten, die ein zufriedenes Leben ermöglichen
Für von der Alkoholkrankheit Betroffene und deren Angehörige und Freunde gibt es reine Betroffenengruppen, reine Angehörigengruppen und gemischte Gruppen. Der regelmäßige Besuch einer Shg hilft vielen Alkoholkranken sich zu stabilisieren und ein zufriedenes Leben ohne Alkohol zu leben.
Auch Angehörige können durch den Erfahrungsaustausch und die gegenseitige Unterstützung profitieren.
Was bedeutet mir meine Selbsthilfegruppe (Shg)? Ein Erfahrungsbericht von Maxi
Das erste Mal habe ich mich mit dem Thema Selbsthilfegruppe nach meiner ersten LZT (Langzeittherapie) 2010 auseinandergesetzt.
Zu diesem Zeitpunkt konnte ich diese auf Grund von Rückfällen noch nicht regelmäßig besuchen, trotzdem war es von Anfang an eine Hilfe für mich… ein Sicherheitsanker, ein Auffangnetz!
Meine erste Gruppe war eine reine Frauengruppe. Es war eine Gruppe, in der herzlich und einfühlsam miteinander umgegangen wurde. Gerne erinnere ich mich an unser Ritual, das wir zu Beginn jeder Stunde machten. (Eine Kerze anzünden, diese in die Mitte des Raumes stellen, als Zeichen, dass es immer ein Licht gibt, das uns begleitet und uns in schweren Momenten die Richtung weist)
In dieser Gruppe habe ich auch wieder gelernt, die kleinen, schönen, positiven Dinge im Leben zu sehen. In der Runde, in der wir erzählten, wie es uns die letzen 14 Tage ging, war auch immer die Frage: „... und was gab es an schönen Momenten?“ Gemeinsam haben wir so für uns gelernt, dass jeder Tag, egal wie schwer er ist, auch - und wenn es nur eine Kleinigkeit ist - etwas Positives für einen bereithält.
Viel bedeutet mir in dieser Gruppe auch die gegenseitige Hilfe und Unterstützung, das Begleiten eines jeden über die Gruppenstunde alle 14 Tage hinaus, das Zuhören, Helfen, Begleiten und Stützen, der Austausch über die eigene Sucht und wie diese einen im Leben begleitet.
In der Gruppe waren viele schon sehr lange abstinent, aber das Thema Sucht war immer noch präsent im Alltag. Ich lernte viel, bekam Einblicke in ein mögliches abstinentes Leben.
Ich merkte nur, dass mir damals 14-tägige Treffen nicht ausreichen. (Hatte ja zu dieser Zeit sonst nur noch meinen Betreuer als Begleiter im Alltag.)
Also fragte ich bei der Gruppenleitung an, ob sie mir hier vor Ort noch eine Gruppe nennen können, die für mich passen könnte und die sich wöchentlich trifft.
So kam ich zu der Gruppe, die ich bis heute noch besuche.
Eigentlich ein Wunder, denn, als ich das erste Mal diese Gruppe besuchte, dachte ich: „Das ist ja jetzt wohl nicht ernst gemeint. Warum meint man, dass diese Gruppe passen könnte?“
Ursprünglich war die Gruppe für junge Erwachsene gedacht, doch schnell merkte der Gruppenleiter, dass nicht genug junge Erwachsene das Angebot nutzen, um eine eigene Gruppe dafür aufzumachen. So wurde daraus eine Gruppe für junge Erwachsene und Junggebliebene (jetzt komme ich aber vom Thema ab..). Jedenfalls war der erste Eindruck von dieser Gruppe „Hier bleib ich nicht!“ (Ich war die einzige Frau zwischen Männern im Alter von Ende 30 bis Anfang 60).
Doch ich habe für mich in dieser Zeit etwas Wichtiges gelernt, nämlich Neuem eine Chance zu geben, nicht vorschnell und übereilt zu handeln, abzuwarten, versuchen, ausprobieren, immer mit dem Wissen, wenn es wirklich nichts wird, kannst du immer noch gehen.
Ich bin froh in der Gruppe geblieben zu sein, die Anfangszweifel und Unsicherheiten sind heute vorbei. Wie sage ich so schön.. „Ich komme mit meinen Jungs gut zurecht, sie bedeuten mir viel!“
Gemeinsam füreinander da sein ist unser Motto. Am Anfang der Stunde bieten wir jedem die Möglichkeit, sich zum Gruppenthema zu machen. Das hat für uns Vorrang. Zuhören, Begleiten, Ideen sammeln, Vorschläge machen, mögliche Lösungswege aufzeigen, sich Zeit geben und sich gegenseitig zeigen: „Du bist mir wichtig, ich bin für dich da, ich stütze dich in schweren Momenten.“
Gleichzeitig reden wir aber auch viel über Alltagssituation, das hat auch jede Woche einen festen Platz. Alltag, der bei jedem ja auch stattfindet: Behörden, Schwierigkeiten, Job, Stress, gemeinsam Lösungen suchen, Erfahrungen austauschen, vielleicht auch mal Wut in der Gruppe lassen. Gemeinsam den Weg beschreiten in dem Wissen, alleine geht es nicht.
In der Gruppe bedeutet mir viel, dass wir auch jedem die Möglichkeit geben, der gerade noch kein dauerhaftes abstinentes Leben schafft (nur vor der Gruppe sollte er/sie nicht getrunken haben), sich bei uns Hilfe zu holen. Sich gegenseitig motivieren, Erfahrungen austauschen (wie bin ich meinen Weg gegangen), Hilfe anbieten, einfach ein offenes Ohr haben, nicht zurückweisen und alleine lassen, sondern zeigen, dass man es gemeinsam schaffen kann – das ist hier wichtig.
Für mich bedeutet diese Gruppe Stabilität, Sicherheit, Vertrauen, es ist eine Gruppe die hinter einem steht, die für mich da ist im Leben. Diese Gruppe zeigt ein buntes Bild an Suchterkrankungen, Erfahrungen und Lebenswegen und dadurch auch einen regen Austausch. Dort gibt es Einsichten, Denkanstöße, Momente, in denen man oft merkt „das trifft auf mich auch zu.“ Ich lerne vom Anderen, wie er mit Problemen umgeht und kann eigene Erfahrungen weitergeben.
Ich kann Anderen eine Chance geben, ihren Weg zu finden und teilhaben lassen am Alltag. Dies bezieht sich darauf, dass wir seit Anfang des Jahres in der Gruppe auch Leute aufnehmen, die in einer nahelegenden forensischen Klinik für Abhängige ihre Strafe absitzen. Der Besuch einer Gruppe ist für diese Leute der erste Schritt und die Vorbereitung auf ein Leben nach der Entlassung. (Ich finde, nach anfänglichem starken Zweifel, dass sie eine Bereicherung für die Gruppe sind.. noch mal ein anderer Blickwinkel auf das Thema Sucht und Suchtentwicklung.)
Und eine ganz starke Bedeutung hat für mich die Hilfe zur Selbsthilfe auch außerhalb der Gruppenstunde (man hat Kontakte, telefoniert, trifft sich auf nen Kaffee)
Diese Gruppe bedeutet für mich Sicherheit, Auffangnetz und Anker. Ich muss meinen Weg nicht alleine gehen, ich kann Menschen finden, denen ich mich nicht groß erklären muss, die für mich da sind. Gemeinsam lassen sich manche Phasen oder schwierige Momente im Leben leichter aushalten.
Bis April dieses Jahres habe ich beide Gruppen besucht, meine erste, die Frauengruppe, hat sich nun im April aufgelöst und meine andere Gruppe werde ich weiterhin besuchen.
Für mich ist ganz klar, ohne diese Erfahrungen in den Gruppen hätte ich nicht so viel erreicht und geschafft. Mir tut der Austausch, das Wissen, ich bin nicht allein, gut und es ist schön Menschen zu haben mit denen man gemeinsam viele Wege gehen kann.
Für mich spielt es auch keine Rolle unter welchem Dachverband (AA, Blaues Kreuz, Guttempler, Kreuzbund oder wie sie alle heißen) die Gruppe läuft. Ich muss mich wohl und sicher fühlen, das Gefühl haben, hier kann ich sein und mich öffnen.
Ich würde jeden ermutigen und jedem raten, sich einmal eine Gruppe anzuschauen. Für mich ist sie ein guter Begleiter auf meinem Weg.
Maxi
Der Rückfall oder die Schwierigkeit, außerhalb der „Käseglocke“ zu leben.
Der Rückfall nach einer stationären oder ambulanten Therapie oder die Schwierigkeit außerhalb der Käseglocke zu leben
- Diese Aussagen beziehen sich auf das Thema Alkohol, es finden sich aber auch Parallelen zum Alltag.
- Mit Käseglocke ist gemeint, dass innerhalb einer Klinik oder Einrichtung ein geschütztes Umfeld besteht. Das heißt: Alltägliche Pflichten wie Arbeiten, Kochen, Putzen usw. fallen nicht an. Weiterhin ist eine solche Klinik eine alkoholfreie Zone, die betreut und kontrolliert wird. Gespräche mit Therapeuten und Mitpatienten – Mitbetroffenen – sind jederzeit möglich.
- Erste therapiebegleitende Schritte diese „Käseglocke“ zu verlassen, finden innerhalb der Patientengruppe statt (z.B. Gruppen- oder Dreierausgang).
- Wenn ein Patient die Klinik verlässt, muss er sein neu erlerntes Verhalten in den alten Problemzonen (Alltag) umsetzen. Es ist daher immer günstig, wenn sich ein Betroffener mit Mitbetroffenen austauschen kann, – z.B. Selbsthilfe-gruppen.
Der Rückfall nach einer stationären Therapie ist ja eigentlich unverständlich aber...
- 1. Rückfälle sind ein normaler Bestandteil der meisten Veränderungsprozesse - Hier steht das Wort Veränderungsprozess im Vordergrund – z.B. Herzpatienten, Raucher, Leute die eine Diät machen oder Leute die wieder regelmäßig Sport treiben wollen, fallen oft in die alten Verhaltensmuster zurück.
- 2. Rückfälle sind – zumindest langfristig – die Regel und nicht die Ausnahme
- 3. Rückfall ist nicht gleich Rückfall - Jeder Patient findet nach der Therapie unterschiedliche Rahmenbedingungen vor (intakte Familie, obdachlos, arbeitslos, gesund, krank usw.).
- 4. Es gibt nicht „den“ typischen Rückfallverlauf - Bei jedem Betroffenen sind die Gründe, weswegen er in die Abhängigkeit geraten ist, verschieden – jeder Mensch reagiert auf Belastungen anders – im Rahmen seiner persönlichen Möglichkeiten.
Ausrutscher oder Rückfall
- Der „erste Schluck“ sollte als Ausrutscher und nicht als Rückfall bezeichnet werden.
- Ausrutscher müssen nicht in schwere Rückfälligkeit auswuchern - Ausrutscher die z.B. auf einer Kurzschlussreaktion basieren, können nach einer kurzfristigen Trinksituation, in der Regel ohne große Schwierigkeiten beendet werden.
- Wenn es nach dem ersten Schluck zum Rückfall in das alte Trinkmuster kommt, ist dies oft eine „Sich selbst erfüllende Prophezeiung“ - Eine „sich selbst erfüllende Prophezeiung“ ist eine Situation, in der sich eine selbst geschaffene Erwartungshaltung, die auch eine starke Eigendynamik haben kann, tatsächlich eintritt (das ist doch immer so, bei anderen war das auch so, das ist mein Schicksal usw.).
Der Rückfall ist häufig mit Vorurteilen und/ oder Vorverurteilungen behaftet
Beispiele:
- ... hat einen miesen Charakter...
- ... ist willenschwach...
- ... ist verantwortungslos...
- ... wollte sowieso nie aufhören ...
- ... ist doch alles egal...
- ... ist doch gleichgültig usw.
- Es wird leicht übersehen, dass jemand der in eine Abhängigkeit geraten ist, dies nicht vorhergesehen hat (Symptomatik der „Krankheit“ z. B. veränderter Gehirnstoffwechsel, Wahrnehmungsveränderungen, Realitätsverlust usw.). Der Umgang mit Schlüsselsituationen, die mit dazu beigetragen haben in die Abhängigkeit zu geraten, muss erlernt werden. (z.B. Therapie, SHG). Das erfordert Zeit und ist meist beschwerlich und schmerzlich, weil der Betroffene sich u.a. mit seinen eigenen „Schwächen und Defiziten“ auseinandersetzen muss.
Anzahl der Rückfälle nach einer stationären Therapie bei Männern (Stand ca. 2005)
- Nach ½ Jahr 31%
- Nach 1 Jahr 45%
- Nach 4 Jahren 51%
- Diese Werte beziehen sich auf Alkohol und sind Bundesdurchschnitt.
Anzahl der Rückfälle nach einer stationären Therapie bei Frauen (Stand ca. 2005)
- Nach ½ Jahr 39%
- Nach 1 Jahr 53%
- Nach 4 Jahren 59%
- Diese Werte beziehen sich auf Alkohol und sind Bundesdurchschnitt.
Anmerkungen
- Fast jeder Rückfall hat einen „Vorfall“ – Oftmals ist es der Rückfall in alte Gewohnheiten, das alte Muster in der Konfliktbewältigung, mangelnde Freizeitgestaltung usw., die der Grund für einen sich langsam einschleichenden Rückfall ins alte Trinkmuster sind.
- Ein Rückfall ist zunächst psychisch und nicht physisch bedingt. Die körperliche Abhängigkeit baut sich nicht sofort auf (z.B. Weinbrandbohne), sondern braucht Tage bis Wochen. Der eigentliche Rückfall passiert im Kopf.
- Oft ist das schleichende Zurückfallen in alte Gewohnheiten der Auslöser für einen Rückfall.
- Ein „echter“ Rückfall kann sehr schnell eine starke Eigendynamik bekommen.
- Ein Rückfall heißt nicht, dass bis dahin nichts erreicht worden ist.
- Das Umfeld reagiert zumeist sehr heftig, enttäuscht und verständnislos. Der Betroffene ist nun durch seinen mitunter sehr hohen Alkoholkonsum nur sehr eingeschränkt fähig, seine eigene Situation zu beurteilen bzw. an dieser etwas zu ändern – es kommt eins zum anderen.
- Meist überdeckt der „Frust“ den Umstand, dass es bis zum Rückfall mitunter jahrelang eine sehr positive, trockene Zeit gegeben hat. In der Regel spricht nichts dagegen, an diese positive Zeit wieder anzuknüpfen. Außerdem kann ein Rückfall durchaus heilsam sein – z.B. die Erfahrung nicht wieder kontrolliert trinken zu können.
Mögliche Gründe für einen Rückfall
- Unangenehme Gefühlszustände - Enttäuschung, Sorge, Krankheit, Frust, Ärger, Ängste – Verlustängste
- Alkoholverführungssituationen - Feste, Feiern, Urlaub, Volksfeste usw.
- Konfliktsituationen - Ärger mit – Familie, Partner, Behörden, Freunden oder Kollegen, im Betrieb usw.
- Wunsch wieder kontrolliert/mäßig zu trinken - wieder so wie alle anderen sein zu wollen – nicht krank bzw. abhängig zu sein – es ist schwer sich vorzustellen, nie mehr wieder zu trinken.
- Körperliche Beschwerden - z.B. Schlafstörungen, Schmerzerkrankungen, Erkrankungen die erhebliche Einschränkungen mit sich bringen – Lähmungen, Diabetes, Gelenkerkrankungen usw.
- Allgemein unausgeglichener Lebensstil - Ungleichgewicht zwischen sollen und tun – z.B. Freizeitgestaltung, Pflichterfüllung, „aktive Partnerschaft“, Sport ja/nein usw.
Was, wenn „Es“ passiert ist, aus Sicht des, der Angehörigen
- Den Rückfall enttabuisieren – ansprechen und darüber sprechen - Kein co-abhängiges Verhalten an den Tag legen – z.B. „hat Probleme mit…..“, „ist ja nur heute“, „ein Mann muss ja auch mal“ usw.
- Bei akutem Alkoholkonsum den Betroffenen möglichst in ein gesichertes Umfeld verbringen.
- Zukunftsorientierte Erwartungshaltung formulieren.
- Möglichst Beratungsstellen mit einbeziehen.